Masterarbeit: Co-Modellierung ereignisdiskreter Systeme auf Grundlage Experimentierbarer Digitaler Zwillinge
Ein Experimentierbarer Digitaler Zwilling (EDZ) ist eine virtuelle digitale 1-zu-1-Repräsentation (Semantik, Struktur, Verhalten, Interaktion) seines Realen Zwillings (RZ) durch ein experimentierbares Modell. Mit EDZ wird es möglich, reale Module (die Realen Zwillinge wie z.B. reale Sensoren, Aktoren, Kranelemente, Robotergelenkkörper u.ä.) 1-zu-1 in virtuelle Module in der virtuellen Welt abzubilden und dort wie in der Realität zusammenzuführen (z.B. zu einem Roboter oder einem Hydraulikkran). Grundlage der Zusammenführung sind die Schnittstellen der EDZ, die bislang physikalischen Schnittstellen (z.B. mechanisch, elektrisch, datentechnisch) entsprechen.
Im Mittelpunkt der Analyse Experimentierbarer Digitaler Zwillinge steht bislang die Prognose des physikalischen Verhaltens. Hierfür wurden zeitkontinuierliche Simulationsverfahren z.B. der Kinematik-, Starrkörperdynamik-, Aktor- oder Sensorsimulation eingesetzt. Bei ereignisdiskreten Simulationsverfahren steht im Gegensatz hierzu das Verhalten eines übergeordneten Prozessablaufs im Mittelpunkt. Es interessiert also nicht in erster Linie die konkrete Bewegung eines Roboters sondern vielmehr die Zeitdauer einer Bewegung zwischen zwei Positionen und der mit dieser Bewegung verbundene Energiebedarf u.ä. Entsprechend werden Simulationsmodelle für ereignisdiskrete Simulationsverfahren völlig anders erstellt als Simulationsmodelle für zeitkontinuierliche Simulationsverfahren. Bei ereignisdiskreten Simulationsmodellen stehen meist nicht die physikalischen Schnittstellen im Vordergrund. Vielmehr werden Prozessschritte (Bewege nach A, Greife, Bewege nach B, Lasse los), Dienste (Services, Bewegung, Greifen/Loslassen, Messen, …) oder allgemeine Zustände/Zustandsübergänge (wartet, Fehler, in Bewegung) betrachtet und miteinander “verschaltet”.
Zur Modellierung und Simulation von Systemen auf ereignisdiskreter Ebene stehen eine Vielzahl von Verfahren und Werkzeuge zur Verfügung. Typisch für viele Ansätze ist, das Ausgangspunkt der Modellierung der betrachtete Prozess selbst ist – und nicht die den Prozess ausführenden Systeme. Agentenbasierte Simulationsansätze, bei denen einzelne Agenten über den Austausch von Nachrichten miteinander interagieren, sind eine bekannte Ausnahme.
Im Rahmen dieser Arbeit soll das Konzept Experimentierbarer Digitaler Zwillinge auf ereignisdiskrete Simulationsansätze erweitert werden. Hierzu sollen zunächst der Stand der Technik im Bereich ereignisdiskreter und agentenbasierter Simulation analysiert und existierende Modellierungskonzepte (z.B. Product-Process-Resource oder Modules-Entities-Process) gegenübergestellt werden. Auf dieser Grundlage soll untersucht werden, auf welcher strukturellen und semantischen Ebene das Konzept der Experimentierbaren Digitalen Zwillinge mit diesen Ansätzen zusammengeführt werden kann. Für eine gewählte Realisierung sollen dann ein Prototyp basierend auf einer Petrinetz-basierten Beschreibungssprache umgesetzt und die Vor- und Nachteile gegenüber herkömmlichen Ansätzen untersucht werden. Hierzu sollen Beispiele aus den Bereichen Produktionstechnik, Forst- und Bauwirtschaft sowie der Weltraumrobotik betrachtet werden.
Zur Durchführung der Arbeiten kann auf die Simulationsplattform VEROSIM und die dort vorhandenen Verfahren zur Modellierung und Simulation ereignisdiskreter Systeme zurückgegriffen werden.
Stichworte: Experimentierbare Digitale Zwillinge, Simulation, Ereignisdiskrete Simulation, Co-Modellierung
Betreuer: Schluse